Der Fuchsbandwurm – Echinococcus multilocularis zeigt sein vielgestaltiges Erscheinungsbild

Dr. Julia Reichert, Melanie Schuster, Dr. Stephanie Bornstein, Dr. Ester Rudloff

 

Echinococcus multilocularis ist in Europa weit verbreitet. Sein natürlicher Endwirt, der Rotfuchs, dringt zunehmend auch in städtische Gebiete vor. Hunde und Katzen, die Nagetiere fressen, können sich ebenfalls infizieren und infektiöse Eier ausscheiden.

 

In der Pathologie des CVUA Freiburg taucht der Fuchsbandwurm vor allem als sein Larvenstadium, Metacestode, bei einem großen Spektrum von Zwischenwirten auf und sorgt hier für interessante, vielgestaltige pathomorphologische Befunde.

 

Abb. 1: Entwicklungszyklus von E. multilocularis (siehe auch Infokasten)

 Entwicklungszyklus von E. multiocularis

Pathomorphologie:

Natürliche Zwischenwirte für E. multilocularis sind Nagetiere, wie z.B. Mäuse und Ratten, aber auch größere Nager wie Nutria und Biber. In deren Lebern entstehen Zystenschläuche mit Brutkapseln und infektiösen Protoscolices, den Bandwurm-Kopfanlagen. Durch Verbreitung abgelöster Einzelbläschen oder Zellverbände über den Blutkreislauf können Fernmetastasen in weiteren Organen wie Lunge, Gehirn und Knochenmark entstehen.

 

Abbildungen

Durch zufällige Aufnahme von Eiern des Fuchsbandwurms können eine Reihe von sogenannten akzidentellen Wirten bzw. Fehlwirten infiziert werden. Auch in der Leber dieser Fehlwirte bildet der Parasit Metacestoden. Bei von uns untersuchten Javaner- und Berberaffen fanden sich meist multifokal erbsen- bis orangengroße gekammerte Zubildungen. Beim Wildschwein waren die Granulome bis zu walnusskerngroß, während die Zubildungen bei einem Rothirsch nur stecknadelkopfgroß waren.

 

Abbildungen

Pathohistologie:

In den Organen zeigen sich Hohlräume, die von einer homogenen Schicht begrenzt werden. Diese leuchtet in der PAS-Spezialfärbung magentarot. Sie besteht aus einer äußeren azellulären Membran und einer inneren germinativen Epithelschicht, an deren Innenfläche sich die Larvenköpfe, Protoscolices, mit Hakenkranz bilden. Um den Parasiten finden sich häufig Anzeichen einer granulomatösen Entzündungsreaktion mit Infiltration von eosinophilen Granulozyten, Bildung von Riesenzellen und bindegewebiger Abkapselung.

 

Die Finnen von E. multilocularis können sich je nach Wirt unterschiedlich weit entwickeln. So konnten wir in der Leber von Berber- und Javaneraffen – ähnlich wie bei Nagetieren als natürlichen Zwischenwirten- im pathohistologischen Schnitt regelmäßig auch Protoscolices nachweisen. Die Organschnitte von Wildschwein und Rothirsch wiesen die typischen PAS-positiven Strukturen der lamellären Schicht auf, waren jedoch infertil und im Inneren teilweise verkalkt.

 

Abbildungen

Fazit:

Die Variabilität der pathomorphologischen Befunde bei einer Metacestodenbildung in den Organen von Zwischen- und Zufallswirten ist beeindruckend: Sie reicht wie dargestellt von multiplen stecknadelkopfgroßen, derben Granulomen bis zu solitären faustgroßen flüssigkeitsgefüllten Zysten. Somit lohnt es sich, bei unklaren Herdveränderungen in der Leber wie auch in anderen Organen immer auch an einen parasitären Ursprung und insbesondere eine Echinococceninfektion zu denken.

 

Im positiven Fall kann die Pathohistologie mittels PAS-Spezialfärbung meist schon eindeutige Befunde erbringen. In unklaren Fällen ist eine PCR im Echinokokkose-Referenzlabor beweisend.

Echinococcus multilocularis, Fuchsbandwurm

Erreger der intestinalen Echinokokkose (Füchse, Hunde, Katzen und andere Carnivoren) sowie der alveolären Echinokokkose (Nagetiere, Mensch, Affen etc.)

 

Vorkommen:

Echinococcus multilocularis ist in der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet (Mittel- und Osteuropa, Westasien, Nordamerika). Im deutschsprachigen Raum (D, A, CH) großflächige Verbreitung bei Füchsen (Nachweis des Wurmbefalls im Darm zwischen <1% bis >70 %). Auch Hunde und Katzen können befallen sein. Beim Menschen liegt die Zahl der Neuerkrankungen an alveolärer Echinokokkose im o.g. deutschsprachigen Raum bei ca. 20-30 pro Jahr.

 

Entwicklung: (Abb. 1)

  1. im Zwischenwirt (Nagetiere) : orale Aufnahme von Eiern Freiwerden von Larven, Wanderung über Blutsystem zur Leber (selten: Lunge, Herz, Milz) ; innerhalb weniger Monate Vermehrung und Entwicklung von infektiösen Finnen – (= Larven-) Stadien.
  2. im Endwirt (Füchse, Marderhunde, Haushunde): Aufnahme von infektiöser Finne durch Verzehr von Zwischenwirt neue Bandwurmgeneration im Dünndarm (= intestinal); Würmer entnehmen dem Darminhalt ihres Wirtes Nahrung. Nach ca. 4 Wochen Ausscheidung von infektiösen Eiern. Verweilzeit im Darm: ca. 6 Monate.
  3. Im Fehlwirt (Mensch, Affe, Schwein etc.): prinzipiell wie Zwischenwirt; hier langsamere und evtl. nicht vollständige Entwicklung der Finnenstadien.

 

Schadwirkung/Klinisches Bild:

  1. Endwirt: meist symptomlos, ggf. (wie bei Bandwurmbefall generell) Schwächung der Allgemeinkonstitution durch Entzug von Nährstoffen.
  2. Zwischenwirt: bei Nagetieren deutliche Umfangsvermehrung, Schwäche (auch leichtere Beute) Tod
  3. Fehlwirt Mensch: nach ca. 10-15 Jahren Lebersymptomatik (Gewichtsabnahme, Bauchschmerzen, etc.); unbehandelt führt die Erkrankung zum Tod.

 

Diagnose:

  1. Endwirt: Direkter (Darmabstrich) oder indirekter (ELISA-Test) Erregernachweis
  2. Zwischenwirt: Klinik, pathologische und pathohistologische Untersuchung
  3. Fehlwirt: bildgebende Verfahren, Antikörpernachweis im Blut

 

Therapie und Prophylaxe:

  1. regelmäßige Entwurmung der erreichbaren Endwirte (Hunde, Katzen)
  2. Schutz vor Aufnahme der Bandwurmeier:

Hände nach Garten-/Erd-/Waldarbeiten gut waschen bzw. Handschuhe tragen; Obst und Gemüse vor Verzehr gründlich waschen (=Eier werden abgespült; ein Abtöten der Eier ist lediglich bei Erhitzung über 60 °C möglich);

Tierkot nur mittels Plastikbeutel aufnehmen und sicher mit dem Hausmüll entsorgen.

 

Literatur

  1. Alveoläre Echinokokkose bei Wildschwein und Biber in Bayern, Drdlicek et al., Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle, 24. Jahrgang, 1/2017
  2. The brown hare (Lepus europaeus) as a novel intermediate host for Echinococcus multilocularis in Europe, Chaignat et al., Parasitol Res 114/2015
  3. Pathology of Domestic Animals, Jubb/Kennedy/Palmer (Hrsg.), 6th Edition, Elsevier Verlag, 2016
  4. Spezielle Pathologie für die Tiermedizin, Baumgärtner/Gruber (Hrsg.), Enke Verlag, 2015
  5. Grundriss der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere, Dahme/Weiss (Hrsg.), 6. Auflage, 2007
  6. Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin, Eckert/Friedhoff/Zahner/Deplazes, Enke Verlag, 2005

 

Bildnachweis

Entwicklungszyklus (Abb. 1): siehe bei den einzelnen Fotos

Diagnostik-Aufnahmen (Abb. 2-8): CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 27.02.2018